Was wenn wir uns in virtuellen Realitäten verlieren? Dieser Frage geht Karoline Georges mit Synthese nach. Wie mir das Buch aus dem Secessions Verlag gefallen hat, erfahrt ihr in meiner Rezension zu Synthese.
Klappentext
Ein junges Mädchen flüchtet sich in die Welt hinter dem Bildschirm und in die Fiktionen ihrer Bücher. Sie verliert den Halt in der Realität. Als emotionsloses Model macht sie in Paris Karriere und wird sehr jung finanziell unabhängig. Sie tritt mit der Außenwelt kaum mehr in Kontakt und beginnt ihre eigene, virtuelle Welt zu kreieren.
Wie sie den Weg zurück zu ihren Eltern und zu sich selbst findet, erzählt sie Jahre später, als reife Frau, die ihren Werdegang informativ, klug und als leidenschaftliches Plädoyer für das Leben schildert.
Rezension
Was wenn du dich in einer Welt verlierst, die nicht der Wirklichkeit entspricht? Und du eigentlich nur Liebe und Geborgenheit brauchst… Das was so vielen fehlt und wohl auch der Protagoistin. Aufgewachsen zwischen einer depressiven Mutter und einem agressiven, alkoholkranken Vater hat sie sich schon früh zurückgezogen in Filmen, Büchern und Bildern. So lange bis sie selbst eines werden konnte und als Model erfolgreich Karriere macht. Dabei verliert sie sich jedoch selbst und den Anschluss zur Aussenwelt.
Synthese zeigt auf, welcher Herausforderung wir ausgesetzt sind, im realen Leben klarzukommen und dabei ständig die Verlockung zu haben, uns in digitale Welten zu begeben, wo wir uns selbst sein können. Was wenn wir da unser vermeintnliches Glück und Bestätigung finden? Die Autorin kritisiert nicht, sie beschreibt und lässt uns mit unterschiedlichen Aussagen allein, fordert uns heraus, uns selbst zu fragen, ob es nicht vielleicht eine logische Konsequenz ist, wenn unsere reale Welt für viele Menschen so schwer erträglich ist und langsam immer mehr auseinander bricht beziehungsweise von uns selbst zerstört wird. Was sind Emotionen? Mehr als Emoticons? Mehr als ein paar Likes und die Leere, wenn mal wieder keine neue Benachrichtigung auf unserem Handy auf uns wartet? Gefühle, Beziehungen und Bestätigung. Sicherheit und Ängste. Es sind logische Gänge und trotzdem wirkt Synthese wie die absolute Extreme. EIne komplett abgeschottete Protagonistin gefangen darin virtuelle Kunst zu erschaffen. Traurig und trotzdem eine seltsame Schönheit, die durch Karoline Georges Schreibweise hervorgehoben wird.
Letzten Endes ist der Roman vor allem aber auch ein Roman rund um Eltern und ihr Kind, über Überforderung, Kommunikation, Schweigen und Traumatas. Vor allem aber auch eine Geschichte rund um den Tod und die Konfrontation damit. Synthese ist melancholisch, faszinierend erschreckend und ehrlich. Wo finden wir Liebe und Geborgenheit in einer Welt voller Krieg, Klimakrise und Hass?
Fazit
Das Buch zeigt auf beängstigende Weise, wie sehr wir uns in virtuellen Realitäten, Sozialen Medien und unserer eigenen Einsamkeit verlieren können – gleichzeitig zeigt es aber auch auf, welchen Frieden und Bestätigung wir wiederum genau an diesen Orten finden können. Ein Paradox, das genialer kaum hätte beschrieben werden können. Verbunden mit einer Geschichte eine Mutter-Tochter Beziehung ist Karoline Georges ein zerbrechliches Stück Literatur gelungen, das tief verankerte Gesellschaftliche Probleme ungeschönt aufzeigt. Ich empfehle das Buch allen, die sich gerne kritisch mit Themen wie dem Metaverse, Sozialen Medien oder der Frage, was Identität in Zeiten von Digitalisierung alles sein kann.
Ich danke dem Secessions Verlag für mein Exemplar!
Ist «Synthese» von Karoline Georges empfehlenswert? Ja. Literatur rund um virtuelle Realitäten, Schönheit, Selbstsuche und Einsamkeit.
Bibliografische Angaben
Synthese (De Synthèse)
Roman
Aus dem Französischen (Québec) von Frank Heibert
Gebunden ohne Schutzumschlag
176 Seiten
€ (D) 20.00 I CHF 26.00 (UVP) I € (A) 20.50
ISBN 978-3-907336-04-5
Synthese – Rezension – Karoline Georges