Queere Musik aus Deutschland – Siovo

Siovo mischt die deutsche Poplandschaft mit seinen ehrlichen Texten und der modernen Synth-Pop Produktion auf. Gleichzeitig bringt er eine lang vermisste queere Perspektive mit, die auf seiner ersten EP „Kauft dem Jungen Blumen“ nochmals deutlich wird. Doch wer ist der Junge? (Text zuerst bei DISPLAY Magazin & Tagesspiegel publiziert)

Ich treffe Siovo im Soho House in Berlin. Bei einer Portion Pommes unterhalten wir uns über seinen Werdegang und er erinnert sich, wie schnell das vor zwei Jahren alles ging. Denn eigentlich hat er mit dem Schreiben eigener Songs erst nach dem Ende seiner ersten Beziehung angefangen.

Siovo – Credits Ricki Krause

„Musik war damals für mich die Antwort auf meine Fragen und ein Weg meinen Schmerz zu verarbeiten“ meint der in der Nähe von Stuttgart groß gewordene Künstler. Die ersten zwei Songs gingen durch die Decke und nur kurze Zeit später stand ein Umzug nach Berlin und das Signing bei FOUR Music, einem Label der Sony Music Group, an. Das habe für ihn zwar schon eine Veränderung bedeutet. Er selbst habe aber von Anfang an darauf hingearbeitet und auch die Ambitionen gehabt, in der deutschen Musiklandschaft stattzufinden. Die erste Hitsingle hat er mit „Backseat Bromance“ gelandet, in der er seine Erfahrungen mit einem nicht geouteten Mann verarbeitet und damit Identifikationspotenzial für viele schwule Männer schaffen konnte, die schon in ähnlichen Situationen waren.

Mittlerweile arbeitet er mit einem queeren Team, die nachempfinden können, wie er sich fühlt und wer er als Künstler sein möchte. Er betont aber auch, dass das noch eine Rarität in der Musikwelt ist und er sich glücklich zu schätzen weiss, dass er die Unterstützung bekommt, seine Vision so umzusetzen, wie er es möchte. Dabei sind viele seiner Songs textlich gar nicht immer als queer zu erkennen. Er nutzt jeweils nur dann Pronomen oder gibt klare Anspielungen auf das Geschlecht der Person, über die er singt, wenn er das Gefühl hat, dies sei auch relevant. „In meinen Musikvideos finden sich immer Männer und queere Motive wieder, da das meine Lebensrealität ist. Aber das Gefühl Liebe ist universell und nicht in jedem Song muss meine Queerness erkennbar sein“

Siovo – Ceedits Ricki Krause

In Berlin habe er sich schnell eingelebt. Sport, Kochen und ein wöchentlicher Besuch im Büro seines Labels gehören zu seiner Routine dazu. Aber auch in den Berliner Nachtclubs trifft man das junge Musiktalent immer wieder an. Clubs sind seine Safespaces. Dort fühlt er sich mitunter am freisten und liebt es auf verschiedene Perspektiven zu treffen. Eine magische Begegnung in einem der Technotempel hat er in seiner Single „Angeldust“ verarbeitet.

„Ich muss zuerst leben, bevor ich Songs schreiben kann“ erzählt er und spielt darauf an, dass er im letzten Jahr nur wenig Zeit im Studio verbracht hat.

Anfang dieses Jahres und mit Ende seiner letzten Beziehung hat er sich dann jedoch wieder ins Studio gewagt. Entstanden ist eine EP mit 7 Songs, die die Höhen und Tiefen, sowie seine Unsicherheiten in der Beziehung aufgreifen.

„Es war das erste Mal, dass ich eine Beziehung mit einem bi-curious Typen eingegangen bin. Wenn jemand mehr Erfahrungen und eine Sicherheit in seiner Identität mitbringt und die andere Person vieles zum ersten Mal erlebt und vielleicht auch gar noch nicht bereit ist für so eine Beziehung ist, entsteht eine interessante, aber teils auch schmerzhafte Dynamik.“

Siovo – Credits Ricki Krause

„Ich möchte das Glitzern auf dem Meer sein“

Da er selbst kaum musikalische Repräsentation dazu gefunden hat, war es ihm ein Anliegen darüber zu schreiben und seine Perspektive zu teilen. In der Single Sie singt er darüber, dass er sich nie vollwertig genug gefühlt hat, in seiner Beziehung, eben weil er keine Frau ist und so nicht das heteronormative Bild erfüllen konnte beziehungsweise das Gefühl hatte, seinem bisexuellen Freund nicht zu genügen. 

Auch wenn die Texte viel Tragik und Tiefe beinhalten, steht dem ganzen eine sommerliche und warme visuelle Bildsprache gegenüber.

„Früher habe ich mich musikalisch oft als einsamer Stern in der Dunkelheit gefühlt. Mit diesem Projekt möchte ich das Glitzern auf dem Meer sein. Ein Kontrast zwischen Licht und Dunkelheit, Lebensfreude und Melancholie“ beschreibt er sich und seine aktuelle EP. Besonders eng hat er daran mit der Singer-Songwriterin Lina Maly geschrieben und der Berliner Musikproduzent Marco Lesche hat seine musikalische Vision mit ihm erarbeitet. „Die meisten Songs kommen tief aus mir heraus und das Grundgerüst steht dann auch meist ziemlich schnell. Von da aus arbeite ich gerne mit anderen weiter“.

Während Siovo sich in seinen Songs sehr verletzlich und persönlich zeigt, teilt er ansonsten wenig zu seinem Privatleben und hält seine Beziehungen und Dates geheim. Er möchte die Menschen, über die er seine Songs schreibt, schützen. „Meine Dates und Ex-Beziehungen reagieren meist sehr positiv auf meine Musik“ meint er und fügt an, dass es für ihn schliesslich nicht darum ginge, Rache zu nehmen oder jemand schlecht zu singen, ebenso wenig möchte er Menschen anprangern, die unsicher in ihrer Sexualität sind. Vielmehr möchte er seine Perspektive teilen, in der Hoffnung, dass sich andere dadurch wiederfinden können.

Im Herbst geht Siovo auf seine erste eigene Tour und erweckt seine Musik damit auf der Bühne zum Leben.

Siovo – Sie – Musikvideo

Siovo Porträt – Siovo Interview – wie alt ist Siovo? Siovo Single?

 

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