Mareike Fallwickl ist in der Literaturszene bekannt geworden mit ihrem Debüt «Dunkelgrün fast schwarz», welches auch mich begeistern konnte – «Das Licht ist hier viel heller» ist ihr zweiter Roman. In meiner Rezension erfahrt ihr, wie mir «Das Licht ist hier viel heller» gefallen hat.
Klappentext
Maximilian Wenger und seine Tochter Zoey haben nicht viel gemeinsam. Er liebt den Ruhm, den er einst als gefeierter Schriftsteller genossen hat. Sie möchte auf keinen Fall in der Öffentlichkeit stehen. Als Wenger Briefe einer unbekannten Frau erhält, die eigentlich an seinen Vormieter gerichtet sind, beginnen er und Zoey unabhängig voneinander zu lesen. Es sind Briefe voller Brutalität und Zärtlichkeit, voller Liebe und Hass – und Wenger ahnt nicht, dass Zoey etwas erlebt hat, das sich in diesen Worten spiegelt. Vater und Tochter werden an einen Scheideweg geführt, an dem etwas Altes endet und etwas Neues beginnt …
Rezension
Zoey ist Tochter eines gescheiterten Starautors und möchte am liebsten doch nur ihrer Leidenschaft der Fotografie nachgehen. Doch ihre Familie droht zu zerbrechen, ihre Liebe wird nicht erwidert und niemand ausser ihrem kleinen Bruder ist für sie, da als sie wie viele Frauen Opfer eines sexuellen Übergriffs wird. Zoey beginnt zu zerbrechen, an dem Schmerz nicht verstanden und geliebt zu werden, aber auch an dem Schmerz, der ihr angetan wurde. Doch Zoey möchte mutig sein, sie möchte nicht so enden, wie ihre Eltern.
Maximilian Wenger ist Zoeys Vater, frisch geschieden und versinkt in seinem eigenen Selbstmitleid. Er vergisst nicht nur sich selbst, sondern auch seine Mitmenschen. Es ist ein Trauerbild. Im Lauf des Buches gewinnt er jedoch an Selbstbewusstsein zurück, beginnt seine Macht als weisser alter Mann wieder auszunutzen und beschliesst über Frauen und Missbrauch zu schreiben. Währenddessen lässt er seine Kinder im Stich aus Überforderung und der Tatsache, dass er immer dachte, es gehe ihnen ja gut. Zuhören und einfach mal schweigen, das ist nicht seine Art – er ist laut, er ist präsent und damit zeigt Fallwickl, wie sich diese patriarchalen Strukturen in den unterschiedlichen zwischenmenschlichen Beziehungen aufzeigen.
Das Buch greift Machtstrukturen, ihren Einfluss auf Beziehungen und Geschlecht auf verschiedenen Ebenen und mit Zoey und ihrem Vater durch zwei sehr unterschiedliche Perspektiven auf. Ebenso spielt Liebe und Kommunikation eine zentrale Rolle. Unerwiderte Liebe, fehlende Aufmerksamkeit und Zuwendung, aber auch der Wunsch geliebt zu werden und manchmal auch bloss Lust und körperliches Begehren.
Mareike Fallwickl zeichnet Figuren mit eigenem Leben, Gedanken und dies auf so geniale Weise, das aus geschriebenen Worten vielschichtige Menschen werden, die Identifkationsmöglichkeiten bieten und uns den gesellschaftlichen Spiegel vorhalten. Gerade die Hilflosigkeit in der Beziehung zwischen Vater und Kindern hat mich überzeugt. Er, der nicht weiss, wie er mit ihnen reden soll und was sie überhaupt von ihm wollen. Die Kinder, die verletzt und einsam sind und sich nach Liebe und wahrem Interesse sehnen, aber gleichzeitig wissen, dass dafür schon längst etwas in dieser Beziehung kaputt gemacht wurde. Selten habe ich mich als Kind so in einem Buch wiedererkannt und gleichzeitig verstanden, wie sich meine Eltern teilweise fühlen. Genauso habe ich mich gesehen gefühlt, dadurch dass die Autorin mit Zoeys Bruder einen queeren Jungen eingebaut hat.
Über der gesamten Geschichte steht das Thema Missbrauch und es sind viele kleine Punkte, die dieses Buch so schmerzhaft und ehrlich brutal machen. Wie die Autorin mir per Privatnachricht mitteilte, habe sie das Buch bereits 2017 geschrieben, als die ganze MeToo-Debatte gerade voll im Fokus der Aufmerksamkeit stand. Nun dass ich es 2021 erst lese, hat sich leider erst sehr wenig auf der Welt verändert und Übergriffe sind immer noch Realität von viel zu vielen Menschen. Genau deshalb ist dieses Buch aber so genial, weil es eben aufzeigt, wie selbst Menschen, die dir am nächsten stehen, damit konfrontiert sind – ganz egal, wie mächtig man selbst ist.
Es gäbe hundert weitere Punkte, die dieses Buch so genial machen, wie es ist. Letzten Endes lohnt es sich, das Buch selbst zu lesen.
Fazit
Mareike Fallwickl ist eine Meisterin der Worte und beherrscht es auf geniale Art ihren Figuren Leben einzuhauchen, die vielschichtig und authentisch tiefe Einblicke in die menschliche Seele bieten. «Das Licht ist hier viel heller» beschreibt genau mit solchen Figuren, wie unsere Gesellschaft und darin existierende Strukturen funktionieren. Geschlechterrollen, das Patriarchat, sexuelle Übergriffe und Beziehungen stellen zentrale Themen dar, das Buch hebt sich jedoch durch Finessen von anderen Büchern über ähnliche Themen ab. Ich vergebe 5 von 5 Sterne und bin absolut begeistert von diesem Buch und lege euch das Buch ans Herz, wenn ihr euch auf eine ehrlich brutale Geschichte einlassen wollt, die euch nicht nur gesellschaftliche Probleme aufzeigt, sondern euch auch herausfordert, euch selbst zu reflektieren!
Ich danke dem Penguin Verlag für mein Exemplar!
Ist «Das Licht ist hier viel heller» von Mareike Fallwickl empfehlenswert? JA! Absolut genial, mit vielschichtigen Figuren und wichtigen gesellschaftlichen Themen, die zum Nachdenken anregen.
Hier findet ihr meine Podcastfolge zum Buch und hier das YouTube-Video.
Bibliografische Angaben
Originaltitel: Das Licht ist hier viel heller
Originalverlag: Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2019
Taschenbuch, Broschur,
384 Seiten
ISBN: 978-3-328-10650-0
Erschienen am 08. März 2021
Hi Josia,
danke für die Aufarbeitung und das feedbackk zu diesem Buch. Ich sehe es bei dir zum ersten Mal, was sehr schade ist, denn es scheint eine intensive Geschichte zu sein.
Ich glaube, mich würde es an manchen Stellen zu sehr triggern, daher schließe ich es für mich aus, aber die Welt sollte dieses Geschichte sehen.
Liebe Grüße
Tina
Es kann wirklich triggern und ich hab so krass geheult teilweise, aber es ist unfassbar stark und wichtig.